hier kommst du zu Teil 1: https://podmon.io/was-macht-podcasts-so-interessant/
Podcast-Ökosystem & Plattform-Ökonomie
Als relativ neuer Mitspieler in der Podcast-Welt haben wir uns für unsere Podcast-Monitoring Plattform PodMon eine ganze Zeitlang mit den Eigenschaften des sich entwickelnden Marktes und dem Medium sowie mit seinen technischen Eigenheiten beschäftigt. Wir kommen ursprünglich als Agentur aus der Social-Media und E-Commerce-Welt, beschäftigen uns seit 10 Jahren mit Daten und APIs von Google, Facebook, Twitter und Co. und begleiten deren Plattform-Evolution. Man kann feststellen: Aus technischer Sicht passen Podcasts nur bedingt ins bekannte Muster der Digital-Marketing-Welt rein. Denn die Dezentralität des Mediums Podcast hat weitreichende Folgen für das technische Ökosystem, was drumherum gewachsen ist.
Plattformen wie Spotify und Apple-Podcast dienen als Distributionskanal für die MP3-Datei, die auf irgendeinem Server liegen kann. Das reine Abspielen des Podcasts ist dabei kein USP, es gibt unzählige Player und Apps, die Podcasts abspielen können. Viele davon sind Open Source. Verständlicherweise versuchen die großen Plattformen, den Nachteil des Nicht-Besitzens des Mediums Podcast über Wertschöpfung und Service zu kompensieren. Daher bieten sie attraktive Anreize, um die Podcaster auf ihre Player und damit hinein in ihre „Plattform-Welt“ zu ziehen. Audience und Reichweite ist einer davon. Und auch „hinter“ dem Player ist das Ökosystem des professionellen Podcastings fragmentiert. Es gibt mittlerweile sehr viele Hoster, Produktions- und Audio-Spezialisten, aber auch Analyse-Tools, die teilweise miteinander integriert, teilweise ebenfalls dezentral aufgestellt sind, um das Podcasten zu erleichtern. Die „liberale“ Philosophie hinter dem Medium Podcast dehnt sich also aus, weit in die technischen Sphären des Podcast-Plattform-Ökosystems hinein. Diese technische Dezentralität bringt natürlich auch technische Barrieren, mediale Brüche und fehlende Standards mit sich.
Podcast-Kategorien: Same same but different
Wie wenig technisch standardisiert Podcasts sind, sieht man schon am einfachen Beispiel der Podcast-Kategorien und Labels, die via RSS mitgeliefert werden. Die Theorie, soweit ich diese verstanden habe:
Apple ist in Sachen Podcast-Hörerzahlen in den USA Marktführer. Die USA sind der größte Podcast-Markt. Also orientierten sich alle zunächst an Apples Kategorien für Podcast-Genres. Selbst die IAB verweist bei der Kategorisierung von Podcast-Werbeplätzen auf Apples Podcast-Kategorien, die als Grundlage für die Media-Platzierungen in Podcasts dienen sollen. Soweit die Theorie. Die Realität zeigt, dass die Kategorien der Podcasts mittlerweile weder konsistent noch sinnvoll sind, da jede(r) hier macht, was er/sie will. Das mussten wir bereits feststellen, als PodMon noch in der Entwicklung war. Unser Tool startete zunächst mit der Möglichkeit, für die Keyword-Suche einzelne Podcasts via RSS hinzuzufügen und Podcasts aus der Datenbank zu abonnieren. In einem Upgrade wollten wir ganz „easy“ das Abonnieren von ganzen Kategorien ermöglichen. „Easy“ war es dann eben doch nicht, da wir feststellen mussten, dass viele Podcaster:innen offenbar unzufrieden mit den Kategorie-Auswahloptionen ihrer Hoster waren und daher wild eigene Kategorie erfunden haben. Das wiederum führt dazu, dass teilweise die Podcast-Namen selbst eine eigene Kategorie bilden. Ist das jetzt „think big“ bei den Podcastern oder vielleicht ein Indiz, dass auch schlechte Usability mancher Hoster-Websites und Formulare bei dem kategorischen Wildwuchs eine Rolle spielen – wir wissen es nicht. An alle Hoster: Checkt doch mal eure Upload- und Registrierungsforms und deren Usability für Nicht-Techis… 😉
Für PodMon hieß es erstmal: Wir mussten aus dem Wildwuchs wieder eine eigene Systematik heraus entwickeln und quasi neu Kategorisieren. Das Dilemma ist perfekt! Aber wir haben auch die Chance erkannt, mit unserer KI-Technologie einen wichtigen Teil zur Standardisierung beizutragen. Mit unserem automatisierten Labeling-Serivce für Podcast-Episoden können wir in Echtzeit jede Episode standardisiert den richtigen Themen-Kategorien (a.k.a. Werbe-Kategorien) zuordnen. Das vergrößert nicht nur die Range und Treffsicherheit für Ad-Anbieter und Advertiser, ihre Platzierungen in den richtigen Podcasts unterzubringen. Es erhöht auch die Relevanz für die Audience, indem die Werbebotschaft im richtigen Kontext untergebracht wird.
Offenes Format vs. Closed Platform
Zurück zur digitalen Plattform-Welt. Während die Facebooks, Snaps und Twitters dieser Welt auf ihren Plattformen sukzessive neue Medienformate geschaffen (bzw. geklaut;) haben, um den Content ihrer Nutzer:innen zu distribuieren, haben sie jeweils eigene technischen Standards geschaffen. Damit sorgen sie dafür, dass ihre Datenwelt konsistent strukturiert ist. Bei Podcasts war hingegen erst das Format da, dann erst kamen die Plattformen und haben sich um das Format herum gebildet bzw. dieses integriert. So wundert es nicht, dass Spotify und andere danach streben, einen großen Teil der Wertschöpfung zu ownen, indem sie Hoster, Producer, Ad-Server und Podcast-Player zusammen in der eigenen Plattform integrieren.
Dass Spotify eine breite Masse an Usern auf ihrer Player-App erreichen, ist bereits gesetzt. Damit bringen sie einen guten Push in die Distribution von Podcasts. Das ist gut für den Markt, gut für das Medium, gut für die Creators. Doch auch Spotify weiß, dass es auf Grund der Heterogenität der Podcast-Welt schwer werden könnte, das Ganze vollumfänglich über Werbung zu monetarisieren, da die Wertschöpfung nicht sauber durch zu tracken ist. Denn es fehlen die technischen Standards, die das ermöglichen. Etwas drastisch ausgedrückt: Solange es durch das offene RSS-Format möglich ist, dass die ganzen anderen (Wettbewerber-) Ökosysteme da draußen mit dem gleichen Content bedient werden können, solange fällt ein gewisser Teil von Usern, Reichweiten und damit Werbeumsätzen ins Wasser oder anderen zu. Das will man vermeiden. Denn jeder Podcast kann nach wie vor (auch über den hauseigenen Spotify-Hoster Anchor.fm) auf anderen Playern und Plattformen veröffentlicht werden (außer im Falle von „Exclusives“). Die logische Konsequenz: Der doofe RSS-Feed muss weg. Der bei Podcasts inhärente „Independent-Charakter“ ist nicht ausreichend kommerzialisierbar. Ein wichtiger Schritt in die Closed-Plattform-Welt machte Spotify bereits, indem exklusive Formate nicht mehr via RSS verfügbar sind, sondern über ihre eigene Streaming-Server-Technologie nur noch auf Spotify ausgeliefert werden.
Wir sind gespannt ob die Rechnung aufgeht. Wird Spotify eine neue bahnbrechende Technologie erfolgreich in den Markt rein bekommen? Oder eine andere Plattform? Oder wird dies dann auch nur eine weitere technische Scherbe im ohnehin schon fragmentierten Ökosystem? Und wird die Podcast-Community, die seit Anbeginn des Podcastings Offenheit und Unabhängigkeit als hohes Gut angesehen hat, das annehmen?
Betrachtet man die Zahlen, wird man feststellen, dass Spotify aktuell im Markt noch nicht genug Hebelwirkung haben dürfte für so ein Vorhaben. Mit einem Marktanteil von knapp 60% beim Hosting hat Spotify mit Anchor.fm zwar einen stattlichen Anteil der Podcasts in seiner Hosting-Wertschöpfung. Blickt man jedoch auf die Player-Seite, stellt man fest, dass hier der Marktanteil deutlich fragmentierter ist. Je nach Statistik (die meisten Zahlen stammen von 2021), Land und Messwert (Downloads vs. Streams) schwanken die Nutzerzahlen bei den Marktführern Spotify und Apple irgendwo zwischen 20-35% pro Plattform. Google Podcasts kommt auf Platz 3 gerade mal auf einstellige Prozentwerte in Sachen Player-Nutzung. Alles also noch weit weg von Marktdominanz bei den Plattformen. Also ist ein Quasi-Technologie-Monopol á la Google bei Search noch nicht absehbar.
Zwischenfazit Teil 2
Mit dem „Podcast-Hype“ der letzten Jahre lässt sich gut beobachten, wie sich neue Märkte und Business-Cases entwickeln. Mit der Popularität des Mediums wächst der Drang nach Monetarisierung und der damit verbundenen Notwendigkeit zur sauberen Messung der Werbedaten und KPIs. Das ruft nach einer technischen Entliberalisierung – auch wenn es die Werte ankratzt, die das Medium einst mit sich brachte. Die Welt der Plattform-Ökonomie ist mit Podcasts vorerst auf den Kopf gestellt durch die dezentralen Eigenschaften des Mediums und der Kampf um Marktanteile zwischen den Big-Tech-Unternehmen ist in vollem Gange. Doch aktuell bleibt alles sehr fragmentiert und inkonsistent auf der Datenseite. Das wollen viele Unternehmen ändern und investieren viel Geld. Es bleibt abzuwarten, wie die Branche damit umgeht und welche Kompromisse hier noch gemacht werden müssen, damit beide Seiten bedient werden, aber das Kernelement eines offenen Podcast-Ökosystems erhalten bleibt.