Die Vermarktung in und von Podcasts ist ein echter Business-Case geworden. Innerhalb von wenigen Jahren hat sich ein Milliarden-Markt für Werber, Produzenten und Hoster entwickelt, mit deutlich zweistelligen Wachstumswerten Jahr für Jahr. Und viele Creators möchten ihre Chance nutzen, mit Podcasts Geld zu verdienen. Doch zu welchem Preis? Droht Podcasting mit seinem Siegeszug in die Popularität gleichzeitig der Verlust seiner DNA, indem das Format von Plattformgrößen technisch annektiert und in ein geschlossenes Ökosystem verbannt wird?
Podcast-Werbung ist wie Podcasts – irgendwie eigen
Über die gängigen Werbeformen in Podcasts haben wir berichtet. Und auch die potenziell hohe Wirkung ist kein Geheimnis. Doch wo lässt Podcast-Werbung innerhalb der vielen digitalen Werbekanäle am besten einordnen?
Im großen Feld von Audio-Werbung scheint Podcast-Werbung ein wenig anders zu sein; anders als z.B. Werbung im Radio. Irgendwie ist das Ganze enger an Influencer-Marketing dran. Oder besser: eine Kombination aus beidem? Nimmt man das Thema Influencer-Werbung als Vergleichsmaß, fällt schnell auf, dass die Kennzahlen nicht passen. Mit Podcasts erreicht man nur einen Bruchteil der Leute im Vergleich zu Instagram oder TikTok, besonders wenn es um Influencer-Reichweiten geht. Andererseits, und das ist vielleicht der wichtigste Aspekt, sind im Social Web die medialen Bedingungen und das Konsumentenverhalten komplett verschieden. Stehen die Social-Kanäle in Sachen Content-Kultur vordergründig für Schnelllebigkeit, Sprunghaftigkeit, Lautsein und Sensation, geht es bei Podcast doch eher um tiefere Content-Erlebnisse, Qualität, „bei-sich-sein“, Involvement. Podcast-Erlebnisse sind immersiv. Also ein komplett anderes Konsumerlebnis. Mit deutlich mehr Effekten auf die Zielgruppe, wenn die Werbebotschaft sitzt.
Ebenso ist das Thema Reichweitenmessung bei Social und Audio komplett verschieden. Wie viele Leute ein Format im Social Web wirklich gesehen haben (könnten) und wo was zu sehen ist, das bestimmen die algorithmischen Finessen der Plattformen und der Adserver. Und die Plattformen liefern auch die Daten. Bei Podcasts steckt das Ganze Thema der algorithmischen Platzierungen noch in den Kinderschuhen. Exakte Zahlen sind Mangelware. Und da liegt wahrscheinlich dann doch ein gemeinsamer Nenner: Wirklich transparent ist weder Social noch Podcast-Werbung (wobei die Gründe unterschiedlich sind). So oder so lohnt es sich, die erfolgsversprechenden Podcast-Werbedaten mal im Kontext des Mediums zu hinterfragen. Wann und warum wirkt ein Placement in Podcasts eigentlich gut? Wie skaliert man das Ganze? Und wie misst man den Erfolg?
Quality vs. Quantity
Wie wir in unserem Beitrag Welche KPIs sind für Podcast Werbung entscheidend? festgestellt haben, wächst mittlerweile die Erkenntnis, dass Podcast-Werbung ein besonderes Fingerspitzengefühl hinsichtlich der Selektion, Produktion und Einbettung der Formate bedarf, um die angepriesene Wirkung auf die Zielgruppen zu entfalten. Die Einbettung in den passenden Kontext des Formats ist dabei essentiell! Der Produktionsaufwand ist bei nativen Formaten relativ hoch und es bedarf viel Koordinationsleistung, bevor die Ad im Podcast sitzt. Dynamische Ads hingegen bringen da einige Vorteile mit sich. Wie bei anderen Kanälen skalieren dynamische Ads deutlich besser, sind breiter aussteuerbar und nachträglich noch veränderbar. Noch funktioniert das Ganze bei weitem nicht überall, da andere technische Voraussetzungen zur Auslieferung benötigt werden, die nicht jeder Hoster besitzt.
Bleibt die Frage, wie viel Masse und wie viel Klasse eine Ad braucht, um optimal in Podcasts zu performen. Zu viel von dem Einen, schon verliert man den Kontext, dann hat man die Gießkanne, Old-School-Radio-Werbung, was im Zweifel am Hörer bzw. am Thema der Podcast-Episode komplett vorbei geht. Schlimmstenfalls riskiert man eine negative Werbewirkung oder gar der Podcast nimmt einen Imageschaden in Kauf. Zu viel von dem anderen und man landet beim „Influencer-Placement“ – viel Handarbeit, kontextuell, aber schlecht skalierbar und vielleicht sogar „baked-in“, also in der Episode verewigt. Komplett wertfrei, was davon nun besser ist, könnte man das Ganze als Kontinuum betrachten. Ein Kontinuum zwischen Qualität und Quantität, in welchem die Parameter der kontextuellen Story-Qualität, Skalierbarkeit und Reichweite einer Ad kompromissorientiert ausgesteuert werden müssen.
Eines zählt jedoch: Werbung in Podcasts muss kontextuell getrieben sein. Podcast-Werbung ist Storytelling im Kontext der Podcast-Episode. Andere, eher klassische KPIs der Werbewelt sollten da gut dosiert mit einfließen. Gut selektierte Shows mit weniger Reichweite haben hochrelevante Audiences, die mehr Impact haben können, als umgekehrt reichweitenorientierte Platzierungen. Letztlich muss das jeder Advertiser für sich selbst herausfinden und mit verschiedenen Publishern testen, was besser performt und welche Ziele damit verfolgt werden. Das heißt, sich raus trauen in die „neue Welt“ und testen, die Balance finden zwischen den passenden Formaten, der Automatisierung (i.S.v. programmatischer Werbung) und Authentizität, um eine hinreichende Werbewirkung zu erzielen. Wo man dann schnell bei den harten Fakten – den Daten und der Messung der Werbeeffekte landet.
Erfolgsmessung von Werbung in Podcasts
Sowohl auf Reichweiten-Seite als auch auf Wirkebene sind die verfügbaren Zahlen bei Podcasts je nach Betrachtungspunkt teilweise noch recht vage. Und der echte „Wert“ von Podcast-Werbung muss die kommende Zeit durch Erfahrungszuwachs noch stärker evaluiert werden. Wirklich viele Einheiten stehen bei Audio-Werbung auch nicht zur Verfügung, da es an Interaktionselementen und Werbeformen mangelt (z.B. im Vgl. zu Social Media). Podcast-Werbung bleibt passiv. Die Lieblingseinheit für die Buchung bleibt daher wohl, wie so oft, der TKP. Als ziemlich generischer Wert wird der TKP jedoch den Eigenheiten von Kanal und Medium „Podcast“ ggf. auf Dauer nicht hinreichend gerecht werden und bringt schon gar keine gute Vergleichbarkeit im Media Mix. Es braucht mindestens noch einen Messwert, der den Qualitätsfaktor quantifiziert. Neben „Awareness“ sind in vielen Formaten Gutscheine oder spezielle Landingpages das Mittel der Wahl, um Werbeeffekte zu tracken. Und Plattformen wie Spotify arbeiten bereits an Formaten, welche dynamische Anzeigen aus dem reinen Audio raus in zusätzliche Visuals und klickbare Formate in den Player-Apps ergänzen. Es geht also nicht nur um Audio-Only, sondern um komplementäre Formate, die Werbung kombinatorisch besser erlebbar, messbar und trackbar machen. Auf jeden Fall ein großes Asset, wenn man daraus erfolgreiche Formate kreieren kann.
Die Kommerzialisierung der Werte
Die Sachen mit der Qualitäts- und Wirkmessung ist im Podcasting vergleichsweise kompliziert. Die Welt steht ein bisschen Kopf bei Podcasts – auch hier. Das Business Modell der großen Plattformen dreht sich letztlich um Daten und Werbung. Bei den bekannten Social- und Streaming-Diensten wurden nach und nach viele Funktionen zur Monetarisierung eingeführt. Das heißt, es wurden Formate mit dem Blick auf verfügbare Audience-Daten und Media-KPIs eingeführt und auf ihre Performance optimiert. Bei Podcasts gibt es – wie schon in Teil 2 ausführlich beschrieben – ein kleines Dilemma. Podcasts gibt es schon sehr lange, jedoch war Podcasting bis vor wenigen Jahren eher ein Indie-Medienformat. Das Thema Werbung kam erst in der jüngsten Zeit auf, da Podcasts mehr und mehr Zuspruch und Reichweite erhielten – nicht zuletzt deshalb, weil eben die großen Plattformen wie Spotify und Apple massiv in das Thema investiert und damit eben erst kritische Reichweiten ermöglicht haben.
So kann man die Effekte des Momentums dieser Branche als ein zweischneidiges Schwert betrachten. Mit steigender Popularität folgen Kommerzialisierungstrends, welche wiederum das Podcast-Wertesystem, also die DNA des Mediums (Dezentralität und Offenheit) zu gewissen Teilen ankratzt, indem der „Datendruck“ im Zuge der Monetarisierung auch den Trend der Zentralisierung mit sich bringt.
Datenlöcher – Die Kehrseite von Dezentralität?
Independent ist nicht nur das Podcast-Medium, es sind weitgehend auch die Hörer:innen. Aus dem Blick der Digital-Branche und aus Sicht der Monetarisierung via Werbung wäre ein sauberes Targeting der Audience nötig. Vorher müsste jedoch zunächst die echte Reichweite jeder Episode herausgefunden werden. Doch durch die technische Dezentralität des Mediums sind zuverlässige Daten für Podcasts schwer beschaffbar. Im Bereich der Zielgruppen-Daten gilt das Gleiche. Die Datenwelt des Podcastings ist nicht vergleichbar mit dem gewohnten Werbeumfeld bei Facebook- oder Google-Targeting. Denn die Fragmentierung der Dienste vom Player bis zum Hoster macht die ganzheitliche Identifikation einer konkreten Audience komplex. Gleiches gilt für Streaming-Verhalten und Download-Daten. Kein Anbieter ist allein in der Lage, diese Informationen sauber durch zu tracken. Außer man owned die Wertschöpfung komplett – wie im Falle von Spotify-Exclusives. Nur hier habe ich ein konsistentes Ökosystem, auf welchem ich User-Insights und -Präferenzen, generiert über die Player-App, mit dem Content-Angebot von der Hosting-Seite verbinden kann.
In den USA wird versucht, das Tracking-Problem mit allerlei teils abenteuerlichen Daten-Service-Anbietern und Daten-Aggregatoren zu umgehen. Dort herrscht in Sachen Tracking und Targeting ein echter wilder Westen, in dem datenseitig versucht wird, haushalts- bzw. personenscharf potenzielle Konsument:innen von Podcasts für Podcast-Werbung zu identifizieren, indem diverse Datenquellen miteinander gekoppelt werden. Quasi das Gegenteil von DSGVO-Konformität.
Fazit Teil 4
Die Werbebranche befindet sich bei Podcast-Werbung noch in einem Lernprozess. Es gilt, das Medium Podcast zu verstehen und im Kontext anderer Formate einzuordnen. Die richtigen Stellschrauben müssen da noch gefunden werden, um Podcast-Werbung für Advertiser erfolgreich zu machen. Aufbauend auf Erfahrungswerte aus anderen Kanälen wird das Ganze sich schnell weiterentwickeln. Aber eine „Copy-Paste-Attitüde“ von bestehenden Konzepten in ein neues Medium hat noch nie gut funktioniert. Die Nutzungskontexte müssen neu erfasst und bewertet werden. Gleiches gilt für Formate, Aussteuerung und natürlich die Messung und Bewertung. Zur Erinnerung: Auch beim Siegeszug von Werbung in Social Media vor 12, 13 Jahren hat das Verstehen von Werbung im neuen Medium sowie das Messen dieser mit passenden KPIs etc. viele Jahre gedauert – und ist übrigens bis heute nicht abgeschlossen. Das Kredo für Marken und Publisher heißt daher auch bei Podcast-Werbung: Testen, bewerten, lernen und daraus Neues entwickeln (wie z.B. neue KPIs).
Podcast-Werbung ist quasi die Inkarnation dessen, was die Branche seit Jahren am Horizont auf sich zukommen sieht, aber bisher nicht konsequent antizipiert hat. Podcast-Werbung muss kontextuell sein, sie muss ins Storytelling der Episode eingebettet sein, um erfolgreich zu werden. Es gibt nur wenige Datenpunkte und man kann keine Cookies setzen. Podcast-Werbung ist „Quality first“. Und das macht Podcast-Werbung so verdammt unbequem für Werbenden. Aber vielleicht ist das auch genau das Erfolgsrezept, was Podcast-Werbung so einzigartig macht.